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4.1.3 Blasphemie

 

        Die Abundanz katholischer Symbolik zeigt die Verankerung der Italo-Western in der italienischen Gesellschaft (vergl. Frayling 186-7).[1] Es wäre müßig, hier einzelne Beispiele aufzulisten, denn Kirchen, Friedhöfe, Glockenschlagen, Priester, Bibelzitate oder gar Vergleiche des Helden mit dem Messias oder Engeln sind in so gut wie jedem Italo-Western zu finden. Allerdings bedeutet dies nicht, daß die Kirche als positive Kraft dargestellt würde. Die Auseinandersetzung mit dem christlichen Glauben findet auch nicht in wohlmeinender Kritik statt, sondern in totaler Ablehnung und Verballhornung christlicher Werte und Symbole.[2] Die Verleihtitel geben die Position, die in den Filmen vertreten wird, deutlich zu erkennen: Sein Gesangbuch war der Colt, Haß war sein Gebet, Friedhof ohne Kreuze (Cemiterio senza croci), Halleluja, der Teufel läßt euch grüßen, Gott vergibt...wir beide nie (Dio perdona...io no), Vier Fäuste für ein Halleluja, Die Heldenfigur des letzten Films heißt im Italienischen 'Trinitá' (= Dreifaltigkeit), d.h. die blasphemische Intention ist schon durch den Namen als programmatisch zu erkennen. Ebenso deutlich blasphemisch sind Kreuzigungsszenen wie die in Keoma, bei denen der Held offensichtlich alles Leid der Welt auf sich nimmt, sich aber Minuten später grausam dafür rächt: gerade Keoma, der messianischste Held, tötet seine Widersacher (seine Brüder!) nicht sauber aus der Distanz (d.h. im Pistolenduell), sondern im direkten Kampf mit bloßen Händen.

        Während der Italo-Western hinsichtlich seines Standpunktes zum Faschismus als politisch akzeptabel gelten kann (auch wenn er hier oft mißverstanden wurde), ist die Auseinandersetzung mit dem Katholizismus eindeutig durch Provokation gekennzeichnet. In Halunken schlägt Tuco seinen Bruder, den Priester, nieder, worauf dieser im Fallen seine Sammlung von Marienstatuen und Heiligenbildern umreißt. Dieser Faustschlag symbolisiert also in einem Bild die im Italo-Western so dominante anti-klerikale Einstellung.

 



[1]     Frayling behauptet außerdem, die italienische Gesellschaft spiegelte sich ebenfalls in der dominanten Rolle, die die Familie in den Italo-Western spielt. Dies ist sicher nicht von der Hand zu weisen, jedoch ist nicht nachzuvollziehen, daß in der Behandlung der Familie ein signifikanter Unterschied zu amerikanischen Western zu erkennen sei: hier wie dort sind Morde an Familienmitgliedern als Ausgangspunkt für Rachefeldzüge anzutreffen oder Clans, die durch ihren Zusammenhalt Macht erlangen (vergl. Frayling 182-186).

 

[2]     Dies ist sicher einer der Hauptgründe, warum die Italo-Western auf dem amerikanischen Markt kaum eine Chance hatten. Man erinnere sich, welche Aufregung (bis hin zu Bombendrohungen) Die letzte Versuchung Christi noch in den 80er Jahren hervorrief. Aus den amerikanischen Italo-Western (Sinola, Erbarmungslos) ist das eindeutig blasphemische Element eleminiert. Pale Rider oder Ein Fressen für die Geier spielen zwar mit christlicher Symbolik, ohne sie jedoch in den Schmutz zu ziehen.

 

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